Multitalent

Der gebürtige Franzose (Jg. `63) und studierte Literaturwissenschaftler wurde Wahlwiesbadener im Jahr 1991. Seit mittlerweile gut 10 Jahren lebt er im 4. Stock auf 90qm im Westend. Die 3 Zimmer sind jedoch viel mehr als einfache Wohnräume: Sie sind gleichzeitig Atelier, Näh- und Schreibwerkstatt sowie Bibliothek. Die gesamte Einrichtung ist gefunden, geschenkt oder selbst gefertigt. Wichtigstes Kriterium: Alle Einrichtungsgegenstände müssen eine Geschichte haben, um hier einziehen zu dürfen.

DAS INTERVIEW

Seit wann leben Sie in Wiesbaden?

Seit Donnerstag, den 10. Januar 1991. Ich lebe mittlerweile länger in Deutschland als ich in Frankreich gelebt habe.

Wie kamen Sie nach Wiesbaden?

Dank der Familie eines Freundes, der damals mit mir in Aix-en-Provence studiert hat und aus Wiesbaden stammt.

AUTODIDAKT Im Jahr 2004 entdeckte der Hausherr sein Talent und malt seitdem vorwiegend Porträts

Was schätzen Sie an Wiesbaden?

Wiesbaden ist eine Mischung aus Großstadtflair und Dorfidylle. Die Stadt ist nicht zu groß, aber auch nicht zu klein. Da ich kein Auto haben möchte, ist es von Vorteil, dass alles per Fuß, Fahrrad oder ÖPNV erreichbar ist. Das schätze ich sehr. Die Unabhängigkeit vom Auto ist eine große gewonnene Freiheit.

Beschreiben Sie Ihr Zuhause mit 3 Worten

Hell, ein kreativer Zufluchtsort, manchmal ein Boot auf dem Meer. Wunderbar!

 

Wie oft sind Sie in Ihrem Leben umgezogen?

Ich kann es nicht mehr zählen! Mindestens 20 Mal. Nein! Ich lüge! Viel mehr. Kann ich nicht genau sagen.

AUßER BETRIEB Der Fernseher ist nur als Teil einer Installation in Benutzung. Darüber das allererste Gemälde des Hausherrn (Toby Maguire)

Wie oft innerhalb Wiesbadens?

Das sind bestimmt eben die zwanzig Male 🙂 In unterschiedliche WGs zum Beispiel.

Was bedeutet für Sie „Zuhause“/Sie fühlen sich zu Hause, wenn….

Wenn meine drei Kinder und Bénédicte, die Mutter, bei mir sind. Es ist für mich immer ein Fest, auch in schweren Zeiten. Wir halten eng zusammen.

Was ist das Erste, das Sie tun, wenn Sie nach Hause kommen?

Meinem Siamkater, Joshua, zu fressen geben. Das ist ein Automatismus. Danach Schuhe ausziehen, farbverdreckte Jogginghose anziehen, eine Zigarette drehen

HERKUNFTSNACHWEIS Mit Korsika verbindet den Hausherrn die Familie

Was ist charakteristisch für Ihre Art zu wohnen?

Die Lebendigkeit. Dass alles in der Wohnung zusammen gewürfelt ist. Es gibt keinen Stil, was mich auch nicht interessiert. Zumindest nicht innerhalb meiner vier Wände. Und dass sich Menschen recht schnell zu Hause bei mir fühlen.

Wie entspannen Sie?

Am besten wenn ich sehr früh aufstehe – wie heute Morgen um halb vier – , einen halben Liter Kaffee intus habe und vom Balkon aus beobachte, wie die Stadt aufwacht. Ich genieße die Zeit bis 12 Uhr, in der ich schreibe, nähe, male, zeichne, mit Joshua spiele oder einfach lese.
Nachmittags ist eine Siesta angesagt. Jeden Tag. Seit über dreißig Jahren. Ich bin nicht umsonst Korse!

Welches ist Ihr Lieblingszimmer und warum?

Mein Büro! Definitiv! Es ist mein Atelier, in dem fast alle meine Gemälde entstanden sind.
Ich mag mein Wohnzimmer auch sehr, der Bibliothek wegen. Bücher stillen meine Neugier und sind für mich reine Geborgenheit.

 

SURPRISE Ein Freund kehrt nach langer Abwesenheit unangekündigt und unerwartet zurück und wird in der Küche ertappt. Das Gemälde entstand nach dem Polaroid, dass diesen Moment festhält.

Räumen Sie oft um? Was haben Sie zuletzt verändert?

Nicht regelmäßig und nicht zwangsläufig.
Der Tisch im Wohnzimmer stand früher parallel zur Straßenseite. Jetzt habe ich den um 45 Grad gedreht, weil ich das Licht, das vom Fenster kommt brauche, wenn ich zeichne oder nähe.

Was liegt auf Ihrem Nachttisch?

Ich habe zwei Nachttische.
Auf einem ist die Schweinelampe aus dem Film “ Die fabelhafte Welt der Amélie” zu sehen und das Buch “La plus secrète mémoire des hommes” von Mohamed Mbougar Sarr (ein Geschenk von meiner Cousine Pascale aus Nizza).
Auf dem zweiten Nachttisch steht ein “Geldbaum” sowie Bücher: Eins von Murakami, “Les mémoires d’Hadrien” von Marguerite Yourcenar und zwei von William Faulkner.

Auf was sind Sie besonders stolz im Zusammenhang mit Ihrem Zuhause?

Dass es ein Refugium für viele Freunde und meine Familie ist. Ich liebe es, wenn Du bei mir bist, dass Du nach fünf Minuten selbstständig nach einem Löffel in der Küchenschublade suchst.
Mein Haus ist Dein Haus. Das wissen meine Mitmenschen.

Wo möchten Sie in 10 Jahren leben?

In 10 Jahren bin ich kurz vor 70. Entweder unter der Erde oder irgendwo am Meer.e.

Haben Sie Lieblingsstücke? Welche?​

Ja! Meine Bibliothek! Die ist mir mit knapp sieben hundert Büchern noch viel zu klein!

 

HAUSWIRTSCHAFTSKUNDE Die Mutter (heute 87) brachte all ihren Söhnen in der Pubertät Nähen, Stricken, Häkeln und Bügeln bei mit nachhaltigem Erfolg

Sie haben einen Wunsch frei bei der Wohnfee: Für was würden Sie ihn nutzen?

Bitte transportiere meine Wohnung an die Küste vor  Ajaccio und platziere sie auf Stelzen direkt ins Meer. Und lasse zu, dass mein WLAN funktioniert.

 

PRÄSENTKORB Einst das Geschenk eines alten Freundes, heute ein Regal.

Ihr Einkaufs-Tipp: Wohin in Wiesbaden, wenn es um Einrichten und Wohnen geht?

Die Straße! Es gibt so viele Schätze da draußen! Meine Wohnung besteht zu 90% aus Fundstücken vom  Sperrmüll. Jedes Möbelstück erzählt mir eine Menschengeschichte. Das ist großartig.  Im Grunde genommen bin ich so nie richtig alleine in meinen vier Wänden. 

Haustiere = Top oder Flop?

Absolut Top! Ich habe dank meiner liebe Freundin Dagmar einen Siamkater aus Kairo seit dem 25. Februar 2020. Mein viertes Kind!

Was hat Sie gereizt/was war Ihr Antrieb, bei diesem Buchprojekt mitzumachen?

Es ist mir wichtig, weil es um Wiesbaden geht, meine Adoptiv-Stadt. Viele schätzen ihre Stadt nicht.  Sie ist ziemlich eingeschlafen und schlapp geworden, einerseits. Sie ist aber andererseits auch wunderschön, vielfältig, etepetete und proletarisch zugleich. Die Mischung macht’s.

SPEZIALIST Wenn Du auf der Suche nach einem Porträt bist: www.brunozaid.jimdofree.com

Wenn Ihr Zuhause sprechen könnte, was würde es Ihnen sagen?

“Cool, dass du hier bei mir wohnst. Bleib solange du willst. Wie verstehen uns gut, oder?”

Welches Stück macht Ihnen am meisten Freude?

Jedes gefundene Möbelstück erzählt mir eine Menschengeschichte. Das ist großartig.  Im Grunde genommen bin ich so nie richtig alleine in meinen vier Wänden.  

Was ist Ihre bevorzugte Beschäftigung an Regentagen?

Lesen, Schreiben, mit der Familie zusammensein.

MÄNNERRUNDE Auch die Katze ist ein „er“ und ist ein Zugezogener wie sein Besitzer: Joshua aus Kairo

Was muss man sich Ihrer Meinung nach im Fernsehen unbedingt anschauen?

Sie: Das Auslandsjournal, das uns immer vor Augen führt, welches Glück wir haben, hier leben zu dürfen.

Gibt es ein tägliches Mantra?

Ein neuer Tag! Wie geil ist das denn!

Auf was können Sie gut verzichten im Leben?

Vieles! Sehr, sehr viel!
Verzichten heißt in meinen Augen:  “Ich will es haben, kann es mir aber nicht leisten/ kann es nicht organisieren”. Ich brauche aber viel von dem ganzen Kram von vorneherein nicht. In diesem Sinne kann ich nicht  darauf “verzichten”. ich brauche es einfach nicht. Diese Abhängigkeit von Objekten, die uns umgeben (Haus, Auto, teure Firlefanzerei) ist für mich ein Graus. Aber weil ich einen  Mensch
mit vielen Widersprüchen bin, habe ich natürlich ein Handy und zwei Computer. Lach!
Was ich brauche, sind Menschen! Darauf kann ich nicht verzichten! Meine Kinder, meine Familie, meine Freunde. Das ist der wahre Reichtum im Leben. Zumindest in meinem.

BILDGALERIE​